Historisches vollzieht sich Jahr für Jahr im Bietigheimer Hornmoldhaus: das dort aufbewahrte, 470 Jahre alte Bietigheimer Weinregister wird vom jeweils amtierenden Oberbürgermeister der Enzstadt fortgeschrieben. Auch in diesem Jahr widmete sich Oberbürgermeister Jürgen Kessing dieser Chronistenpflicht mit großer Sorgfalt.
Das Jahr 2023 war für die Bietigheimer Weingärtner nicht nur erfreulich. Mit einer Jahresmitteltemperatur von 10,7 Grad Celsius gab es in Baden-Württemberg einen neuen Wärmerekord. Nach einem recht milden ersten Quartal war der April recht kühl und es gab reichlich Niederschläge. So verzögerte sich der Austrieb der Reben etwas. Dann wurde es von Mitte Mai bis Ende Juni sehr trocken und im Juli sehr heiß. Insbesondere junge Reben mussten bewässert werden. Wo dies möglich war, konnten die Reben gut wachsen und blühen und auch gute Traubenansätze entwickeln. Entspannung für die Bewässerung brachten die Niederschläge Ende Juli und Anfang August. Dadurch wuchsen allerdings auch die Beeren der Trauben, womit das Risiko von Fäulnis stieg. Die hohen Temperaturen im September ließen die Trauben schnell reifen, teilweise begünstigten sie allerdings auch Fäulnis, sodass die Weingärtner bei einigen Traubensorten die Lese früher begannen und viel aussortieren mussten.
Die Durchschnittserträge von 107 bis 127 kg/Ar im Jahr 2023 entsprechen dem Durchschnitt früherer Jahre mit 94 bis 140 kg/Ar, erreichten aber keine Spitzenwerte. Am besten haben die Rotweintrauben abgeschnitten – so brachte beispielsweise der Spätburgunder 127 kg/Ar bei durchschnittlich 80 Grad Oechsle, gefolgt vom Schwarzriesling mit 119 kg/Ar und 76 Grad Oechsle. Die Qualität des Rieslings mit 83 Grad Öchsle war zufriedenstellend.
Die Weinernte aus Bietigheim-Bissinger Lagen ergab rund 805 hl Wein und damit 192 hl weniger als im Vorjahr. Der Verkaufspreis lag mit 332 Euro je hl Wein dafür etwas über dem Wert von 2022 mit 292 Euro je hl Wein.
Die Lese begann wieder recht früh, am 31. August 2023 mit der schonenden Lese für Sektgrundweine und endete am 11. Oktober mit der selektiven Lese für hochwertige Weißweine und kräftige Rotweine. Die zeitlich sehr weit gestreckte und an die einzelnen Lagen und Rebsorten angepasste Weinlese ist eine Voraussetzung für hohe Qualitäten bei einzelnen Weinen.
Seit 1550 wird das Bietigheimer Weinregister in Bietigheim geführt und in den Archiven sorgfältig verwahrt. Im 18. Jahrhundert erhielt das große Register einen schützenden Holzschrank, verziert mit wappengeschmückten Flügeltüren und anderen Schnitzereien. Das Schränkchen samt kostbarem Inhalt wird aus konservatorischen Gründen in den klimatisierten Archivräumen aufbewahrt – es muss vor Feuchtigkeit, Lichteinflüssen und anderen Beeinträchtigungen geschützt werden. Eine Kopie des Dokumentes ist jedoch im Museum jederzeit zu besichtigen. Es verdeutlicht, welch hohe Bedeutung dem Weinbau einst in Bietigheim zukam. Er war einstmals Exportschlager und trug viel zum Reichtum der Stadt bei.
Inzwischen erleichtert eine digitale Darstellung den Besuchern das Studium des Weinregisters: mittels eines Bildschirms kann das Original-Register, welches aus konservatorischen Gründen nicht offen gezeigt werden kann, von allen interessierten Besuchern gelesen werden. Auf dem Bildschirm werden die Texte gezeigt, blättern ist möglich und erläuternde Texte helfen beim Lesen und Verstehen. Dieses digitale Angebot macht die Bedeutung des Weinbaus für die Stadt und ihre wirtschaftliche Entwicklung in früheren Jahrhunderten noch begreifbarer.